Bernina 730 record
So eine Maschine kam kürzlich vorbei. Ihre Besitzerin habe sie vor langer Zeit mal geerbt und würde sie seitdem viel und gerne benutzen. Sie bemängelte, dass sich die Stichlage nicht mehr ordentlich einstellen ließe und bei den sonstiegen Einstellungen würde was klemmen. Nun denn, ab in die Werkstatt mit dem Teil. Zunächst mache ich einen Eingangstest, indem ich die Maschine ohne Faden am Handrat durchdrehe, ob sie frei läuft. Das ließ sich gut an. Dann messe ich die Leistungsaufnahme mit einem preisgünstigen Energiemeßgerät. Bei Stufe „langsam“ und ohne Licht nahm die Maschine 62W auf. Sie war etwas laut. Dann mal im Netz geschaut, was es für die Maschine gibt. Bei einem Bernina-Enthusiasten in der Schweiz wurde ich zumindest etwas fündig, ein paar Fotos von der Maschine gab es da. Die Suche nach einer Bedienungsanleitung oder einer Serviceanleitung verlief leider negativ. Dann mal selbst herausfinden. Wenn man von oben auf die Maschine schaut, so sieht man am Handrad links eine Klappe. Hinten ist diese Klappe etwas stärker ausgeführt. Hebt man dort an, so enthüllt sich die Abteilung zum Spulen. Ok, wofür sind denn die beiden Scharniere hinten ? Keine Schraube von oben für den Deckel, vielleicht ein Rastmechanismus ? Der Deckel blockierte, wenn man ihn anheben wollte. Mit einem Messer fuhr ich von links und rechts in die Lücke zwischen Chassis und Deckel und stellte fest, dass die Halterung links neben der Öffnung für die Nutzsticheinstellung sein mußte. Hier begann ich das Messer dann zu drehen und mit etwas Ausdauer sprang der Deckel auf. OK, hier sitzt ein federgelagerter Pin, der in eine Kulisse im Deckel greift. Der wurde mal geölt und das war verharzt. Mit WD40 und Waffenöl wurde der Pin wieder gängig gemacht. Die Maschine ist übersichtlich und schön aufgebaut. Alle Stellen für den Ölservice sind rot markiert, also los und erstmal oben eine gute Portion Ballistol dorthin verteilt. So, dann mal an die Stichlageneinstellung. Da gibt es vorne eine Kombination aus einen Knebelschalter (Stichlage) und einem Drehschalter (Zickzackbreite). Die Mechanik greift ineinander und ein gefederter Pin verbindet beide Funktionen über eine Kulisse. Das Öl in der Führung für diesen Pin war verharzt und ließ sich nicht aufweichen. WD40, Wärme aus einem Fön und Beharrlichkeit lösten dann das Problem. Die beiden Knöpfe lassen sich durch einen Hebel, der unter den beiden Knöpfen sitzt auch noch koppeln, indem man die Hülse des Hebels nach unten zieht. Dann kann man ihn etwas nach vorne schwenken und so die beiden Knöpfe gemeinsam bewegen kann. Wofür auch immer man das braucht. Dann kam das Handrad an die Reihe. Um die Maschine von „Nähen“ auf „Spulen“ zu verstellen, befindet sich innerhalb des Handrades ein zweites Rad, das man gegen das Handrad verdrehen kann, um die Kupplung zu lösen. In diesem inneren Rad sieht man eine Schraubenöffnung und dreht die Schraube heraus. Nun kann man das innere Rad herausschrauben und die zentrale Druckfeder entnehmen. Bitte beachten, die beiden Zungen der Feder zeigen nach außen. Nun löst man die beiden Schrauben des darunterliegenden Abdeckblechs und legt es auf die Seite. Nun sieht man die beiden Riemen, die vom Motor den Antrieb für die Maschine über eine Umlenkrolle nach oben bringen. Die Umlenkrolle ist mit einem E-Ring gesichert, den man ausbaut. Nun kann man das Handrad und die Umlenkrolle entnehmen. In der Achse für die Umlenkrolle ist ein Schlitz eingefräst, in dem ein Stück Schaumgummi sitzt, das mit Öl getränkt sein sollte. Das Schaumgummi war nur noch Brösel, wurde durch ein Stückchen Filz ersetzt. Die Welle, auf der das Handrad sitzt, wurde gereinigt und gefettet. Das verhindert wenn man spulen möchte, dass das Nähwerk mitläuft. Dann wieder zusammensetzen und gut.
Nun stellte sich die Frage, wie kommt man an das Innenleben des Freiarms dran ? Keine Schrauben von oben oder unten. Mal in der Öffnung für den Unterfaden stöbern. Da ist links so ein Hebel, drückt man ihn, springt die obere Abdeckung des Freiarm etwas nach oben und läßt sich nach links ausfädeln. Nun kam die große Stunde des Kompressors und die Maschine wurde mit Preßluft ausgeblasen. Da kam vielleicht was raus. Besonders aus der Gegend von Stichplatte und Transporteur. Nun an der Mechanik wieder Reinigungs- und Öldienst. Es ist eine CB-Maschine, da sollten die Führungen nicht trocken laufen. Dabei auch nicht die Lauffläche des Greifers vergessen. Da kommt man ran, indem man auf der linken Seite eine Sperre nach links drückt, dann schwenkt die Verkleidung nach unten und Greifer und Spulenkapsel lassen sich entnehmen und reinigen. Ist alles wieder zusammen, kann man einen erneuten Probelauf starten. Dabei habe ich wieder die aufgenommene Leistung gemessen, es waren nur noch 56W, eine spürbare Verbesserung und die Maschine lief ruhiger.
Weiter geht’s, schauen wir mal nach dem Motor. Nach Lösen von zwei Schrauben auf der Unterseite der Maschine kann man das Abdeckblech abnehmen. Die Schleifkohlen kann man entnehmen, indem man die Preßstoffkappen von den Schächten abschraubt. Die Kohlen haben das Maß 4,5x5,5mm. Sie waren noch ausreichend lang und der Anker des Motors nicht eingelaufen. Erledigt. An der Halterung ist noch ein Schalter, mit dem man die Nähgeschwindigkeit in zwei Stufen einstellen kann. Schöne Einrichtung. Die Entstörkondensatorkombi sah noch gut aus, konnte also bleiben. Mal sehen, wielange sie noch durchhält, die Maschine wurde ja schon im Jahre 1966 gebaut, da gab es noch 220V Netzspannung, nun sind wir ja bei 230V.
Anlasser: Eine aufwändige Konstruktion. Auf der Unterseite findet man zwei Muttern. Nach dem Lösen und Entnehmen kann man die Unterseite abnehmen. Nun findet man zwei weitere Muttern auf einer Abdeckung, die man auch entnimmt. Nach Abnehmen der Abdeckung stößt man auf zwei Asbestscheiben und einen Porzellankörper, der in zwei Röhren Kohletabletten für die Regelung des Antriebs enthält. Der Regler ist mit zwei Drosseln an ein Klemmbrett geschraubt, an dem auch das Kabel zur Maschine befestigt ist. Unter diesem Klemmbrett liegt noch ein Kondensator mit 50nF zur Entstörung. Dieser war ausgelaufen und wurde durch einen Entstörkondensator 47nF, Typ X2 ersetzt. Dabei ist auf gute Isolation zu achten, da es dort recht warm werden kann. Möchte man für das Pedal weniger Leerweg einstellen, bis die Maschine anlaufen soll, so löst man die Kontermutter (SW7) und zieht die Made mit einem feinen Schraubendreher etwas nach.
Bedienungsanleitung: Wie schon geschrieben, baut der Schweizer Bernina-Enthusiast gerade seine Internetseite um, so dass dort nur ein paar Fotos mit Erläuterungen verfügbar sind. Stöbert man weiter, so findet man mit der Suche „Mein Bernina Buch 730“ eine Bedienungsanleitung zum Herunterladen bei libble.de (60Seiten). Auch sind die Foren „hobbyschneiderin24“ und „Naehmaschinentechnik“ praktisch für Tipps und Tricks in der entsprechenden Rubrik.